Schon oft gehört und nie verstanden. Die Sache mit der bedingungslosen Liebe.
Als ich Anfang des Jahres zu einer zweiwöchigen Reise aufgebrochen bin, habe ich genau ein Buch im Gepäck gehabt. »The Mastery of Love« von Don Miguel Ruiz. Ein Buch über die Liebe und Beziehungen. Auf einer Reise ganz allein. Erschien mir passend. Schon im Flugzeug konnte ich es nicht aus der Hand legen.
Stellt euch vor, ihr beschließt, euch ein Haustier zuzulegen. Ein Hund soll es sein. Ihr geht in eine Tierhandlung – im Kopf habt ihr schon das perfekte Hündchen, was es werden soll. Gedanklich steht der Name, der Schlaf- und Futterplatz und natürlich die perfekte Gassistrecke fest. In der Arbeit ist es kein Problem, Hundi darf mitkommen. Es ist alles perfekt. Ihr öffnet die Tür der Tierhandlung mit klopfenden Herzen. Die Klingel ertönt, euer Herz springt schon vor Freude! Der Blick wandert zu den Tieren – einem werdet ihr ein wundervolles Zuhause schaffen. Ihr seht Fische, Hamster, Meerschweinchen, Vögel – und Katzen. Noch mal zurück… Katzen, Vögel, Meerschweinchen, Hamster, Fische. Keine Hunde. Das kann jetzt doch nicht sein. Das darf nicht sein. Ihr fragt nach, vielleicht sind die erwarteten Hundewelpen gerade Gassi. Nein, Hunde sind aus. Verdammt. Was jetzt? Der Blick wandert wieder von den Fischen bis zu den Katzen. Katze. Mmh. Kommt einem Hund am nächsten. Hat ja auch Vorteile. Kein Gassi gehen. Muss nicht mit zur Arbeit. Freut sich ebenso, wenn man abends nach Hause kommt. Und irgendwie sind sie ja auch süß, wie sie da so sitzen und schauen. Ok, dann eine Katze. Hey, eine Katze!
Zu Hause angekommen wird die vorbereitete Leine heimlich verräumt. Wo stellt man bitte ein Katzenklo auf? Wie viel Streu muss da rein? Aha. Ach so. Wird sicher nicht so schlimm. Kätzchen schaut sich um, lernt das neue Zuhause kennen. Shit, Katzenbaum. Ach, wie sie so schaut! Da geht einem das Herz auf! Aus Bello wird Bella und die ersten Tage sind wundervoll. Kaum hält man es auf der Arbeit aus. Mit klopfendem Herzen wird die Wohnungstür aufgeschlossen. Miez Miez Miez, wo bist du denn? Ah, ok, Katzen sitzen nicht an der Tür und warten. Auch gut.
Die Tage vergehen und schnell ist dir klar: Mit einer Katze kannst du nicht Gassi gehen. Zwei Krallen stecken noch unter deiner Haut, als du dennoch versucht hast ihr eine Leine anzulegen. Die Katzenklo-Nummer ist härter als du es dir in deinen kühnsten Gedanken vorgestellt hast. Ein Katzenbaum für 400 € muss nicht zwingend benutzt werden. Vom Geruch des Katzenfutters wird dir schlecht. Und ihr mögt euch nicht. Was nun? Wie alt wird eine Katze? Mmh. Naja, es wird werden.
So wie es sich mit der Haustierepisode verhält, verhält es sich bei vielen Singles mit der Partnersuche. Wenn die Entscheidung für eine Beziehung gefällt ist und „nur“ noch das +1 fehlt, übergeht man seine Bedürfnisse und Wünsche gerne zugunsten des vermeintlich perfekten Partners. Ob Hund oder Katze – ist doch egal. Und genau das ist es eben nicht. Ein Hund macht in kein Katzenklo und eine Katze lässt sich nicht davon abhalten ihre Krallen in das 3.000 € Sofa zu hauen.
Genauso wenig wie sich ein vegetarisch lebender Partner für eine Bratwurst begeistern lässt oder sich eine überzeugte Pessimistin über jeden Sonnenaufgang freuen wird.
Eine Beziehung ist vergleichbar mit einem Kreis. Einem Kreis, der aus zwei Hälften besteht. Jeder Partner besitzt eine Hälfte. Dabei ist es egal, was für eine Art von Beziehung es ist. Es kann sich um eine Freundschaft, um eine berufliche Bekanntschaft oder um eine Liebesbeziehung handeln. Eine Beziehung besteht immer aus diesen zwei Hälften und wird von zwei Menschen gelebt.
Eine elementare Regel ist: jeder ist für seine Hälfte verantwortlich und kann auch nur diese steuern und verändern.
Ich kann bestimmen, wie ich bin und wie ich sein möchte. Aber ich kann die andere Hälfte nicht verändern. Ich kann aus einer Katze keinen Hund machen. Deswegen ist es so wichtig zu wissen, was man sucht. Und wie die eigene Hälfte aussieht. Denn der andere kann genauso wenig in diese eindringen.
Die Grundlage für die bedingungslose Liebe ist: keine Bedingung an die Liebe zu knüpfen. Easy. Macht ja keiner. Wer will das schon. Das weiß doch jeder. Aber wenn ich mich umblicke, sehe ich nur Bedingungen, die gestellt werden.
Die meistgelebte Bedingung ist: Ich liebe nur, wenn ich geliebt werde.
Habt ihr schon mal beschlossen, zu lieben – egal ob ihr zurückgeliebt werdet oder nicht? So verrückt es sich anhört, es befreit ungemein. Einfach der Liebe wegen zu lieben. Sich einfach fallen zu lassen. Ohne eine Erwiderung zu bekommen.
»Und wenn ich dich lieb habe, was geht‘s dich an?« Goethe hat es direkt ausgesprochen. Man darf sich verlieben. Wird es erwidert, ist das schön. Aber nicht zwingend notwendig. Liebe ist eine Entscheidung. Entscheidungen muss man alleine treffen.
Oft verbreitet: Mein Partner muss mir zeigen, wie sehr er mich liebt.
Warum muss er das denn? Aus psychologischer Sicht kann hier schnell die Projektion erwähnt werden. Ich projiziere das auf meinen Partner, was mich an mir stört. Zeigt er es mir nicht, dann ist es auch nicht wahr. Dabei muss aber auch die Art von meinem Partner gewählt werden, die ich mir wünsche. Zeigt er es mir auf seine Art, übersehe ich es oder es ist nichts wert.
An dieser Stelle möchte ich einen Ausflug in die sozialen Netzwerke wagen. Gerade als Single wird es einem unter die Nase gerieben. Diese überglücklichen Paare. Die perfekten Familien. Menschen, die alles richtig gemacht haben. Aber meine Beobachtung dieses Mitteilungswahnsinns hat mich anderes gelehrt. Je mehr Glück mir gezeigt wird, desto weniger ist vorhanden.
Auch gut: Wenn ich alles für meinen Partner tue, muss er das auch machen.
Dabei ist es eine Definitionssache was »alles« bedeutet. Und das bedeutet eben für jeden etwas anderes. Vielleicht bedeutet es für mich, Urlaube alleine aufzugeben, währenddessen dieses Opfer für den Partner nicht nachvollziehbar ist, da er nie alleine durch die Welt touren wollte. Oder jemand hört auf, jeden Abend online Spiele zu zocken. Oder er versucht daran zu denken, dass Schmutzwäsche einen eigenen Ort hat, der zentral gelegen ist.
Es gibt viele Dinge im Alltag eines Paares, die den ein oder anderen zur Weißglut bringen können. Dinge, die schnell eine enorme Wichtigkeit bekommen. Und die plötzlich »alles« sind. Es soll Ehen geben, die an der klassischen Zahnpastatube gescheitert sind.
Ich bin mir sicher, dass es unzählig weitere Bedingungen gibt, die Menschen mit Liebe verknüpfen. Dabei haben alle Bedingungen eins gemeinsam: Sie beziehen sich auf die andere Hälfte der Beziehung. Nicht auf die eigene Hälfte. Manche Menschen bleiben die ganze Nacht auf, weil ihr WoW-Team eine wichtige Mission erfüllen muss. Schmutzwäsche kann unterschiedlich priorisiert werden – auch in einer 30-jährigen Partnerschaft. Ich werde das Alleinereisen immer lieben. Auch wenn mein Partner es vielleicht nicht verstehen kann.
Was also kann ich tun?
Zuallererst sollte man wissen, ob man einen Hund oder eine Katze will. Keine Kompromisse machen, wo keine zu machen sind. Was anfangs noch als liebevolle Eigenart gilt, kann nach fünf Jahren zu einer Trennung führen (siehe bye bye, butterfly).
Dabei aber nicht vergessen: Jeder Mensch hat sicher genauso viele schlechte wie gute Eigenschaften. In einer perfekten Welt schaffe ich es, meinem Partner Liebe zu schenken, weil ich es möchte. Und nicht, weil ich es muss. In einer perfekten Welt räume ich seine Schmutzwäsche auf und lächle insgeheim, weil er in vielen Dingen genial ist und in einigen so blind.
Ich bin davon überzeugt, dass bedingungslose Liebe einen Sonnenaufgang wärmer, Gedanken leichter und Momente glücklicher macht. Also verliebt euch einfach. Der Liebe wegen.
One thought on “Be bedingungslos, baby!”